Silent treatment
Silent Treatment ist eine Taktik aus dem Repertoire psychischer Gewalt. Kritisch ist hier auch der Terminus, da „treatment“ eine Art „Behandlung“ zu suggerieren scheint, die jedoch in Wahrheit ein Akt von Gewalt auf psychischer Ebene ist – und genau das soll hier hervorgehoben werden. Silent treatment ist besonders belastend, emotional und psychisch folgenschwer, wenn sich Eltern bei ihren Kindern solcher Techniken bedienen. Beim Silent Treatment hört die Person A abrupt auf, mit Person B zu kommunizieren. Meistens passiert es, nachdem Person B in den Augen der Person A etwas „falsch“ gemacht hat. Häufig ist der Person B jedoch nicht klar, was und wann etwas falsch lief. Die Möglichkeit der Klarstellung bleibt aus, da Person A die Kontrolle über die Initiation oder Erhaltung der Kommunikation und somit über das Silent Treatment hat. Nach einem gesunden Muster vorzugehen und ein Problem konstruktiv zu lösen, indem man es benennt, anspricht und ausdiskutiert, ist seitens der Person A nicht angedacht.
Jegliche Kommunikationsart wird ebenso unterbunden – verbal, nonverbal, über Augenkontakt, schriftlich oder telefonisch. Sofern etwas dringend kommuniziert werden muss, wird es auf das Minimum reduziert, wenn überhaupt.
Besonders traumatisierend ist es in familiären Situationen, wenn durch diese derart toxische Dynamik eine hochgradige Anspannung in der Atmosphäre entsteht, die kaum auszuhalten ist. Silent Treatment fühlt sich an, als trüge man das gesamte Gewicht der Welt in sich, das jeden Moment zu explodieren droht.
Mit diesem psychischen Gewaltakt suggeriert man der Person, die man ignoriert, verschiedene Glaubenssätze: dass sie unsichtbar ist, dass sie falsch ist oder etwas falsch gemacht hat, dass diese Person der Kommunikation nicht wert ist, dass sie bestraft werden muss.
Wie alle anderen psychischen Gewalttaten kann auch dies schwerwiegende, bleibende Folgen für die psycho-emotionale Gesundheit der Person haben, die dem Silent Treatment ausgesetzt ist. Besonders Kinder können sich nicht wehren, weil sie von dem Elternteil abhängig sind und aufgrund des Überlebensinstinktes sich anpassen und alles erdulden. Sie lernen mit der Zeit, dass dieser psychische Missbrauch normal ist und internalisieren die oben genannten Glaubenssätze. Sie leiden an den Nachfolgen dieses psychischen Drucks und übernehmen unter Umständen dieses toxische Verhalten im späteren Leben.
Silent Treatment ist nicht mit No Contact zu verwechseln. Wenn eine Person sich aus destruktiven Beziehungsmustern befreien will und sich dazu entscheidet, den Kontakt zu einer toxischen Person abzubrechen, ist dies kein Silent Treatment.