Die Stimmen der Opfer narzisstischer Partner

Die Stimmen der Opfer narzisstischer Partner

Eine qualitative Untersuchung von Reaktionen auf narzisstische Verletzungen und der Regulation des Selbstwertgefühls

Ava Green and Kathy Charles Edinburgh Napier University, UK

Narzissmus als Persönlichkeitsstörung (NPD) wurde umfangreich untersucht, dabei gibt es die Differenzierungen zwischen grandiosem und vulnerablem Narzissmus. Vorwiegend konzentrieren sich die Untersuchungen jedoch auf die Form des grandiosen Narzissmus. Als Merkmale gelten hier Attribute wie: grandios, arrogant, ansprüchlich, neidisch und ausbeuterisch. Bei vulnerablen Narzissten hingegen sind Merkmale wie Schüchternheit, Hypersensitivität und Zurückhaltung präsent, wobei heimlich verdeckte Gefühle von Grandiosität und Anspruchshaltung mitschwingen.

Es sei anzumerken, dass viele dieser Eigenschaften in der Allgemeinbevölkerung vertreten sind, ohne eine NPD-Diagnose. Diese werden als „subklinischer Narzissmus“ bezeichnet. Der Fokus dieser Studie liegt eher auf genau dieser Personengruppe als auf klinisch diagnostizierter narzisstischer Persönlichkeitsstörung.

Die vorliegende Studie soll untersuchen, inwieweit sich grandiose und vulnerable narzisstische Personen in Bezug auf die Reaktion auf die narcissistic injury und die Selbstwertregulation in Beziehungen mit häuslicher Gewalt unterscheiden. Ziel ist es, mehr Feinheiten herauszukristallisieren und tiefere Einblicke durch die Wahrnehmung der Partner zu gewinnen.

An der qualitativen Studie mit semistrukturierten Interviews partizipierten 7 Personen (1 Mann und 6 Frauen).

Ergebnisse: 3 Muster sind besonders auffällig gewesen:

  1. Verdeckter und offener Ausdruck von Missbrauch
  2. Herausfordern der subjektiv wahrgenommenen Autorität
  3. Verlustängste

Verdeckter und offener Ausdruck von Missbrauch

Narcissistic rage wird als konstanter Zustand von Zorn beschrieben, der sich in verbalen und physischen Missbrauch nach außen manifestiert. Nach innen gerichtet drückt sich dieser Zorn in Form von eher subtiler und unterdrückter Wut, vernichtender psychologischer Manipulation sowie passiv-aggressivem Verhalten aus.

Die Betroffenen führten den erlebten Schaden auf das Machtempfinden und das Kontroll- sowie Dominanzbedürfnis ihrer narzisstischen Partner zurück. Diese Wut wurde als unvorhersehbar, furchteinflößend und ohne jegliche Provokation ausgelöst beschrieben.

Obwohl körperliche Übergriffe häufig waren, empfanden die Betroffenen das Ausüben psychischer Gewalt als verheerender. Darunter fielen Gewaltdrohungen, Zwangskontrolle und systematische Versuche, die wahrgenommene Realität der Betroffenen einzuschüchtern und zu entwerten (z. B. Gaslighting).

Betroffene hatten den Eindruck, dass die Bindung, die sie mit dem narzisstischen Partner geformt hatten, sie mit Gefühlen der Wertlosigkeit, Verwirrung, Angst, posttraumatischem Stress und Suizidgedanken zurückließ. Dies war die Folge der quälenden Verhaltensweisen, der Neigung zur Schuldverschiebung und der Verleugnung der Folgen des Missbrauchs, denen sie ausgesetzt waren.

Herausfordern der subjektiv wahrgenommenen Autorität

Hierbei sind eher grandiose Tendenzen sichtbar: Elemente wie offener Ausdruck von Arroganz, Selbstbezogenheit und die Demonstration von Überlegenheit in Einstellungen und Verhaltensweisen, ohne dass es dafür einen berechtigten Grund gäbe. Die narzisstische Wut wurde dann durch eine wahrgenommene Bedrohung des Selbstwertes ausgelöst, gerechtfertigt durch das Gefühl des Anspruchs, „besonders“ und „überlegen“ zu sein.

Als Antwort auf die narcissistic injury scheinen grandiose Narzissten bei der Wiederherstellung ihres Selbstwertgefühls sich oftmals offener Erniedrigung und Abwertung des Partners zu bedienen. Dies ist ein Abwehrmechanismus gegen kleinste Kränkungen und ego-bedrohliche Situationen.

Verlustängste

Als unterschwelliger Trigger für narzisstische Wut bei vulnerablen Narzissten war die Verlustangst zu verzeichnen (Verlust von narzisstischem Supply). Eigenschaften eines vulnerablen Narzissten sind Überempfindlichkeit, Unsicherheit, Eifersucht, Paranoia, Kontrollbedürfnis und ein ausbeuterischer zwischenmenschlicher Stil. Narzisstische Wut tritt hier besonders im Zusammenhang mit minimalsten Anzeichen der Angst vor Ablehnung oder dem Verlassenwerden auf.

Betroffene berichten, nach und nach Menschen aus ihrem Leben ausgeschlossen zu haben. Sie wurden isoliert, während sie versuchten, ihre langfristigen Beziehungen zu beenden.

Vulnerable Narzissten wurden als solche wahrgenommen, die manipulieren, um mehr Mitleid, Macht und Kontrolle von ihren Partnern zu erlangen und sie in einem erhöhten Zustand co-abhängiger Angst zu halten. Auf die narzisstische Verletzung, der Wut zugrunde liegt, antwortet der vulnerable Narzisst meist mit schmollendem, passiv-aggressivem Verhalten. Dies geschieht aus Angst, externe Bestätigung zu verlieren, die zur Regulierung des Selbstwertgefühls dient.

Es zeigte sich also ein durchgehendes Muster defensiver Reaktionen auf Ego-Bedrohungen und narzisstische Verletzungen, die von gewalttätigen Ausbrüchen begleitet wurden. Solche Ergebnisse untermauern weiter die Vorstellung, dass narzisstische Verletzungen nicht zwingend ein Symptom für eine voll ausgeprägte Persönlichkeitsstörung sein müssen.

Besonders der Leidensdruck und Schmerz, den die Teilnehmer erlebten, untermauerten den dysfunktionalen Kontext in Beziehungen mit Narzissten. Dies äußert sich in mangelnder Empathie und gefühlloser Ausnutzung, was diese zwischenmenschliche Feindseligkeit hervorbringt.

Grandiose Narzissten wurden zudem als wenig zwischenmenschlich beeinträchtigt wahrgenommen. Begleitet wurde dies von der Unfähigkeit, langfristige und verbindliche Beziehungen aufrechtzuerhalten. Dies legt nahe, dass die Partner als narzisstischer Supply dienten. Ebenso wurde berichtet, dass feindselige Ausbrüche erlebt wurden, wenn Forderungen nach Berechtigung, Bewunderung und wahrgenommener Autorität nicht erfüllt wurden. Die Teilnehmenden berichteten, sich betrogen zu fühlen, da ihre gesamte Beziehung wie eine Illusion erschien – ähnlich der Identität, die vom Narzissten dargestellt wurde.

Vulnerable Narzissten zeigten hingegen einen höheren zwischenmenschlichen Leidensdruck, gepaart mit emotionaler Sensitivität und extremer Abhängigkeit von ihren Partnern zur Regulierung des Selbstwerts. Als zentraler Wirkungsmechanismus wird hier die Angst vor dem Verlassenwerden verzeichnet. Dies bildet den Kern der Misshandlungen und der zwischenmenschlichen Ausbeutung, wenn der Narzisst versucht, bewusst gewordene Zustände der Verletzlichkeit und zugrunde liegende Bedürfnisse zu verteidigen.

Bei beiden Formen überlappen sich jedoch dominantes und rachsüchtiges Verhalten. Dies äußert sich durch hohe Grade zwischenmenschlicher Ausbeutung und Anspruchsdenken in beiden Subtypen, als zentrale Merkmale narzisstischer Persönlichkeit.


Kommentar der Autorin

In der Studie wird beschrieben, dass die Rekrutierung der Kandidaten größtenteils über eine aktive Facebook-Gruppe „Narcissism Abuse & Recovery Hotline“ durchgeführt wurde. Diese hatte rund 2000 Mitglieder. Die Frage entsteht, warum „nur“ maximal 7 Individuen zur Untersuchung herangezogen wurden. Hing es mit den Ressourcen der Studie und der qualitativen Herangehensweise zusammen oder eher mit der nicht vorhandenen Bereitschaft der potenziellen Partizipanten? Wenn Letzteres der Fall ist, dann ist es besorgniserregend im Hinblick auf weitere Forschung – gerade für quantitative und somit repräsentative Studien sowie das Partizipieren an bereitgestellten Hilfeleistungen für Opfer narzisstischen Missbrauchs.

Das Monopol des Bildes vom klassischen grandiosen Narzissten ist längst überholt durch das Vorhandensein einer weiteren, eher subtil erscheinenden Form des Narzissten: des Vulnerablen. Die Forschung scheint bei der Differenzierung und insbesondere bei der Untersuchung des vulnerablen Typus jedoch hinterherzuhinken. Spannend wäre auch zu differenzieren, inwieweit genderspezifische Unterschiede bei beiden Subtypen vorherrschen. Die Annahme ist, dass bei Frauen eher der vulnerable und bei Männern eher der grandiose Typus zu klassifizieren wäre. Auch hier könnte ein quantitativer Ansatz weitere Insights in der Differenzierung liefern, was zur Sensibilisierung der Bevölkerung in Bezug auf den eher verdeckten Typ mehr beitragen würde.

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