Narzisstische Kränkung

Narzisstische Kränkung

Wenn von einer narzisstischen Kränkung oder narcissistic injury die Rede ist, geht es um eine Verletzung des Ego des Narzissten. Diese kann von einem narzisstischen Wutanfall gefolgt werden. Das Besondere bei dieser Verletzung ist, dass auch sie vom Narzissten als sehr unverhältnismäßig empfunden wird und daher kataklystische Folgen mit sich tragen kann.

Eine Person mit einem soliden Selbstbewusstsein reagiert auf beispielsweise negatives Feedback der Umgebung mit einer dazu in Relation stehenden Reaktion. Wir alle hören lieber Lob als Kritik, obgleich beides im Grunde nur Feedback ist. Jemand mit einem stabilen Bild von sich selbst kann die Kritik als Gelegenheit sehen, die Verbesserungsvorschläge anzunehmen oder auch nicht. Das Selbstbild nimmt dabei keinen Schaden, weil es robust ist.

Ein Narzisst besitzt kein stabiles Selbst. Genau genommen hat er für sich und die Umgebung das sogenannte false self kreiert – eine idealisierte, superlative, fiktive Version seines Selbstbildes (der Beste, der Schönste, der Klügste, der […]).

Sobald auch nur ein Hauch von Kritik in Richtung dieser konstruierten Fiktion des Selbst geht, fällt sie sofort wie ein Kartenhaus zusammen und hinterlässt eine der Unterwelt ähnliche, dunkle, schwere, verwüstete und stinkende Leere, statt eines Selbst.

Dieser Zustand ist für den Narzissten nicht auszuhalten, und so ist er überproportional tief verletzt, auch wenn die Kritik nur marginaler Natur ist. Es ist egal, ob man dem Narzissten zum Beispiel sagt: „Du hast etwas ein bisschen falsch gemacht“ oder „sehr viel falsch gemacht“ – das Kartenhaus ist so fragil, dass es bei jeglicher Kritik augenblicklich zusammenfällt. Egal, ob sie konstruktiv, gut gemeint und mit dem sanftesten, schonendsten Ton beigebracht wurde: Jedwede Kritik ist schlicht eine Bedrohung und induziert sofort die narzisstische Verletzung.

Lediglich Lob, Zuspruch und alles, was diesem false self entspricht und es nicht erschüttert, wird begrüßt.

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