Die Auswirkung psychischer Gewalt durch den Intimpartner auf die mentale Gesundheit schwangerer Frauen
Tiwari A, Chan K, Fong D, Leung W, Brownridge D, Lam H, Wong B, Lam C, Chau F, Chan A, Cheung K, Ho P. The impact of psychological abuse by an intimate partner on the mental health of pregnant women. BJOG 2008;115:377–384
Von den 3245 chinesischen Teilnehmerinnen berichteten 296, dass sie im vergangenen Jahr von ihren Intimpartnern misshandelt wurden. Von diesen Misshandelten gaben 216 Personen (73 %) an, ausschließlich psychische Gewalt erfahren zu haben. Die am häufigsten angegebenen Beispiele psychischer Gewalt waren „Beschämung vor Freunden oder Familienmitgliedern“, „Herabsetzungen in Bezug auf Aussehen oder Verhalten“ und „Verhöhnung“.
„Psychische Gesundheit“ lehnt sich an die Definition des World Health Report 2001 an, bedeutet subjektives Wohlbefinden sowie das wahrgenommene Gefühl der Selbstwirksamkeit – und geht über das bloße Fehlen psychischer Störungen hinaus. Mentale Gesundheit und mentale Funktionalität sind grundlegend mit physischer und sozialer Funktionalität verbunden.
Frauen in der Gruppe „psychischer Missbrauch“ hatten ein höheres Risiko für postnatale Depression, verglichen mit den nicht missbrauchten Frauen. Ebenso hatten sie ein höheres Risiko für Gedanken zur Selbstverletzung und eine signifikant schlechtere Lebensqualität mit Blick auf die psychische Gesundheit.
Psychischer Missbrauch des Partners gegenüber der schwangeren Frau hat einen negativen Einfluss auf die mentale Gesundheit nach der Geburt.
Grundsätzlich wird psychischem Missbrauch bei Frauen relativ wenig Beachtung geschenkt, trotz der Befunde, dass psychischer Missbrauch mit negativen psychischen Gesundheitsfolgen in Verbindung gebracht wurde, darunter depressive Symptomatik.
In der vorliegenden Studie wurde Partnerschaftsgewalt als ein Muster aus Zwang und Kontrolle definiert. Darunter fielen auch der Gebrauch von physischer Gewalt, sexueller Gewalt und emotionalem Missbrauch oder Drohungen oder Zwangstaktiken gegen Frauen vom aktuellen oder vorigen Partner.
Die Ergebnisse stützen die Hypothese, dass psychischer Missbrauch gegenüber schwangeren Frauen ihre psychische Gesundheit nach der Entbindung negativ beeinflusst. Ein kultureller Einfluss bei der Wahrnehmung könnte sein, dass in der chinesischen Kultur das „Bewahren des Gesichtes“ und der Harmonie in Beziehungen sehr großen Stellenwert hat. Könnte es sein, dass chinesische Frauen bezüglich der Effekte psychischen Missbrauchs anfälliger sind, weil dieser „Verlieren des Gesichtes“ und eine Disharmonie in Beziehungen verursachen würde?
Drei Viertel des Missbrauchs war in dieser Studie ausschließlich psychischer Natur. Anzumerken sei, dass psychischer Missbrauch fast immer Vorläufer physischen Missbrauchs ist.
In verschiedenen anderen Studien wurde „Verhöhnung“ als eine der schwerwiegendsten Formen psychischer Gewalt wahrgenommen. Verhöhnung greift das Selbstwertgefühl an und lässt Frauen sich wertlos fühlen. Wenn die Charaktereigenschaften einer Frau von ihrem Mann verhöhnt wurden, könnte ihr Sinn für Hoffnung und Sicherheit in der Beziehung erheblichen Schaden nehmen, zu Depression und geringem Selbstwertgefühl führen. Andere Untersuchungen zeigen, dass eine affektive Reaktion in Form von Scham mit einer negativen Bewertung des Selbst und einem entsprechenden Gefühl von Wertlosigkeit einhergeht. Dies stellt einen zentralen Faktor in der Verbindung zwischen psychischer Gewalt und posttraumatischer Belastungsstörung dar.
Andere Formen psychischen Missbrauchs, darunter Drohungen von Missbrauch oder Scheidung, Eifersucht, Einschränkungen und Sachbeschädigung, tragen ebenso zu negativen Auswirkungen psychischer Gewalt bei, indem sie bei den Betroffenen Angst auslösen und Zwangskontrolle ausüben.
Es wird vermutet, dass das Klima aus Angst und Kontrolle in missbräuchlichen Beziehungen die Fähigkeit von Frauen einschränken kann, über ihre Fruchtbarkeit zu bestimmen, was zu ungewollten Schwangerschaften führen kann.
Für die Studie könnte zusätzliche Information über Gewalt in der Partnerschaft nützlich sein, die von Sozialarbeitern, Polizei oder den Partnern berichtet wurden. Weil der Missbrauch nicht physischer Natur war, war das Einbeziehen von Sozialarbeitern und der Polizei unwahrscheinlich.
Weitere Studien weisen darauf hin, dass verbale Konflikte sowie Aggression zwischen den Eltern eine Reihe von Verhaltensproblemen bei ihren Kindern voraussagen. Darunter zählen Aggression, kriminelles Verhalten, Depression, Angststörung und mangelhafte soziale und akademische Kompetenz. Daher sind Interventionen zur Reduktion von Schaden der Mütter notwendig, ebenso präventive Maßnahmen für Kinder von missbräuchlichen Beziehungen.
Kommentar der Autorin
Die Ergebnisse dieser Studie sprechen für sich: Psychischer Missbrauch hat negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit. Bei häuslicher Gewalt können Instanzen herangezogen werden, und für den Täter können schwerwiegende Konsequenzen entstehen. Nicht so bei psychischer Gewalt, das suggeriert auch die Studie – es werden keine Sozialarbeiter oder die Polizei einbezogen. Psychische Gesundheit ist direkt mit dem Funktionieren auf physischer und sozialer Ebene verbunden, und doch wird ihr noch immer zu wenig Beachtung geschenkt.
In der vorliegenden Studie wurden schwangere Frauen untersucht. Potenziell nimmt psychische Gewalt durch den Partner auch negativen Einfluss auf die Gesundheit des Kindes. Wie beschrieben, sind für die Psyche des Kindes weitreichende Folgen möglich. So werden diese innerfamiliären Dynamiken und ihre Auswirkungen spätestens bei kriminellem Verhalten zu einem sichtbaren gesellschaftlichen Problem. Meist sind Bemühungen, diese Probleme zu lösen, kosmetischer Natur und greifen weder das Kernproblem noch den Ursprung an. Es bedarf ganz klar präventiver Maßnahmen, die Informationsbereitstellung, Aufklärung, Sensibilisierung der Bevölkerung und niedrigschwellige Anlaufstellen für Betroffene beinhalten.