Psychischer Missbrauch durch Eltern und seine Auswirkungen auf die psychische Gesundheit von Jugendlichen
Rizvi SFI, Najam N. Parental psychological abuse toward children and mental health problems in adolescence. Pak J Med Sci 2014;30(2):256-260. doi: http://dx.doi.org/10.12669/pjms.302.4593
Psychischer Missbrauch ist besonders bei Jugendlichen durch ihre eigenen Eltern ein recht untererkanntes und unterberichtetes Phänomen. Es wird als die herausforderndste, aber auch die meist verbreitete Form des Missbrauchs bei Kindern beschrieben. Verglichen mit körperlichem Missbrauch ist psychischer Missbrauch zudem recht schwer zu definieren und zu bewerten. Als solcher kann beispielsweise verbaler Missbrauch, harte nicht-physische Strafen oder Drohungen von Gewalt gesehen werden.
In zahlreichen Fällen wird psychischer Missbrauch für die Entwicklung des Kindes am schädigendsten beschrieben. Er steht im Zusammenhang mit negativen Folgen wie beeinträchtigte emotionale, soziale sowie kognitive Entwicklung, einschließlich Hilflosigkeit, Aggression, emotionaler Unempfänglichkeit und Neurotizismus.
Forschungsergebnisse zeigen übereinstimmend, dass psychischer Missbrauch und Vernachlässigung in der Kindheit negative Auswirkungen auf die normale Entwicklung haben. Für die Jugendlichen ist die Erfahrung des Missbrauchs nicht nur ein unmittelbares Risiko in Form von schwachen schulischen Leistungen und erhöhter psychischer Belastung. Es können ebenso schwerwiegende Langzeitfolgen entstehen, darunter Delinquenz, Aggression, geringes Selbstwertgefühl, Angstzustände, Substanzmissbrauch, posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) und Depressionen.
Weitere Langzeitstudien fanden einen Zusammenhang zwischen psychischen Missbrauch in der Kindheit und Essstörungen, Depressionen und suizidalen Verhaltensweisen. Solch eine Form des Missbrauchs ist extrem destruktiv und kann sich beim Kind zudem Probleme zu vertrauen und unzureichenden Leistungen äußern.
Darüberhinaus sind Folgen, die sich psychisch manifestieren (Depressionen, Angststörungen, geringes Selbstwertgefühl, Essstörungen) assoziiert mit physischen gesundheitlichen Problemen wie allgemein schlechter körperlicher Gesundheitszustand, erhöhtes Risiko für Herzerkrankungen, selbstverletzendes Verhalten
An der vorliegenden Studie nehmen 300 Jugendliche aus Pakistan teil und es sollen die 2 Hypothesen getestet werden:
- Es wird eine signifikant positive Beziehung zwischen wahrgenommenem psychischem Missbrauch durch die Eltern (Mutter und Vater) und psychischen Gesundheitsproblemen bei Jugendlichen erwartet.
- Faktoren psychischen Missbrauchs stellen voraussichtlich Prädiktoren für psychische Gesundheitsprobleme dar.
Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass die Wahrnehmung von psychischem Missbrauch durch die Mutter und den Vater Auswirkungen auf die psychische Gesundheit von Jugendlichen hat.
Als Gewaltformen wurden folgende Verhaltensweisen der Eltern identifiziert:
- verbaler Missbrauch
- Vernachlässigung oder Zurückweisung
- Entzug von Unterstützung
- Einschüchterndes / terrorisierendes Verhalten
- ausbeuterisches Verhalten
Als mögliche Folgen psychischen Missbrauchs können folgende Erscheinungsbilder auftreten:
- Affektive Probleme (z.B. Stimmungsschwankungen, Depressionen)
- Angststörungen
- Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitäts Probleme (ADHS)
- oppositionelles Trotzverhalten
- Verhaltensprobleme
- Zwangsstörungen
- posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS)
Je missbräuchlicher die Eltern von den Jugendlichen wahrgenommen wurden, desto schwerwiegender erschienen die psychischen Probleme. Grundsätzlich waren der verbale Missbrauch der Mutter und das terrorisierende Verhalten des Vaters die häufigsten Ursachen auftretender Folgeprobleme.
Die Ergebnisse dieser Studie sind im Einklang mit vorangegangenen Untersuchungen, dass psychischer Missbrauch durch die Eltern sich negativ auf die Psyche der Kinder und später Jugendlichen auswirkt. Eine Untersuchung bestätigte, dass missbräuchliches Verhalten der Eltern einen derart gravierenden Effekt hat, dass sie an (posttraumatische Belastungsstörung) PTBS erkranken. Es wäre die selbe Diagnose, die bei Erwachsenen nach schweren Traumata, wie Kampferfahrungen oder schweren Unfällen, diagnostiziert wird.
Kommentar der Autorin:
Es ist erschreckend zu sehen, mit welchen Folgen Kinder und Jugendliche als Opfer psychischen Missbrauchs rechnen müssen. Eine kindliche Psyche ist äußerst fragil und sollte im Normalfall stabilisiert und nicht durch die eigenen Eltern beschädigt werden. Mehr noch, Folgen psychischen Missbrauchs können sich zudem körperlich äußern, spätestens dann wird die verheerende Wirkung erzieherischen Fehlverhaltens deutlich. Meist zu spät.
Ferner zeigen Untersuchungen, dass das missbräuchliche Verhalten der Eltern die gleiche Auswirkung auf die Psyche der Kinder aufweist, wie beispielsweise die PTBS bei Kriegsveteranen. Die desaströsen Folgen des unsichtbaren Krieges im häuslichen Umfeld reichen bis ins Erwachsenenalter und bleiben häufig unbehandelt.
Es bedarf mehr Screeningverfahren bei Auftreten von Auffälligkeiten im Kindesalter und ganz gezielte Aufklärung über psychische Gesundheit und was allein verbaler Missbrauch anrichten kann. Wenn Eltern keine Regulationsmechanismen auf psychischer und emotionaler Ebene aufweisen, können sie keine gesunden Muster weitergeben und die Leidtragenden sind die Kinder. Diese werden zu traumatisierten Erwachsenen und tragen dazu bei, intergenerationelle Traumata an ihre Kinder weiterzugeben. Dieser Kreislauf muss durch präventive Interventionen und Aufklärung durchbrochen werden, denn die psychische Gesundheit der Kinder fängt meist bei ihren Eltern an.