Reading the room
Reading the room kann man der Hypervigilanz unterordnen, wo eine erhöhte Aufmerksamkeit in Bezug auf das Außen präsent ist.
Jemand, der den Raum liest, erfasst die Stimmung innerhalb von Millisekunden. Sagen wir, diese Person betritt wirklich einen Raum voller Menschen – fast unwillkürlich passiert ein sofortiger Scan der Lage.
- Ist die Stimmung heiter?
- Ist sie gedämpft?
- Ist sie neutral?
- Wo ist die ruhigste Person?
- Wo ist die unruhigste?
Das Besondere dabei ist, dass die den Raum lesende Person sich dann automatisch an der unruhigsten Person orientieren und in ihre Richtung tendieren wird.
Dieses Phänomen ist nicht zufällig. Das Lesen des Raumes hat bereits seit der frühen Kindheit als Schutzmechanismus in einer dysfunktionalen Familie gedient. In solchen Familien sind die Umstände vollkommen unvorhersehbar. Die Stimmung kann jeden Moment eine drastische Wendung nehmen und zu einer heftigen Explosion führen. Besonders das Leben mit einem Narzissten ist geprägt von derartigen emotionalen Detonationen mit dem Narzisstischer Wut. Das Kind lernt ganz schnell, dass jeden Moment Gefahr droht, und durch seinen natürlichen Überlebensinstinkt etabliert sich diese Strategie des ständigen Scannens auf Gefahr.
Durch diese Selbstschutzreaktion nimmt das Kind an, es könne die Lage beeinflussen, wenn es nur schnell genug weiß, wann das Elternteil wieder einen Zornesausbruch hat. Daher scannt es den Raum und die gefährliche Person auf Mikro-Veränderungen, die jemandem ohne diese Fähigkeit eher nicht auffallen würden. Es ist ständig auf dieses Elternteil fokussiert und prüft und checkt, wie die Stimmung ist, um so schnell es geht reagieren zu können.
Dass man als Erwachsener in anderen Kontexten dann ständig nur am Scannen ist, ist dieser Überlebensstrategie aus der Kindheit geschuldet. Eben deswegen fühlt man sich zu der unruhigsten Person in dem Raum fast hingezogen, weil dort voraussichtlich die Gefahr drohen könnte – wie sie früher von dem Elternteil ausging.