Splitting
Entweder – oder.
Alles oder nichts.
Gut oder böse.
Perfektion oder Versagen.
Schwarz – weiß.
Wir verstehen diese Dichotomien – wir haben sie von klein auf so gelernt. Es gibt eindeutig Gutes oder Schlechtes auf der Welt, zweifellos. Aber es gibt auch etwas dazwischen. Die Welt besteht nicht nur aus Scheiße oder Gold. Es gibt auch mal Silber, mal Platin, mal Messing oder Kupfer, dann wieder Mist und Schmutz und ab und an Titan oder Bronze.
Für den Narzissten gibt es keine Zwischenräume, denn für ihn existieren immer nur diese zwei Kategorien – stets am jeweiligen Extrem pendelnd.
Noch einmal: Es gibt definitiv Faktoren, die eindeutig zu einem der beiden Enden kategorisierbar sind. Auch gesunde Menschen können dualistisch denken und sich bei bestimmten Sachverhalten sehr stark einer Zweiteilung zuneigen.
Der Narzisst jedoch sieht die Welt ausschließlich durch die Brille dieser Polarität: Etwas oder jemand ist entweder gut oder schlecht. Es ist immer entweder das eine Ende wahr oder das andere. Es gibt keine Graustufen, nichts dazwischen. Jemand wird entweder total idealisiert (insbesondere in der Lovebombingphase) oder absolut verdammt und abgelehnt.
Das ist auch der Grund, warum der Narzisst all seine negativen Eigenschaften mit aller Vehemenz ablehnt: Er ist nur „gut“, „perfekt“, „absolut und vollkommen“. Da er nicht in der Lage ist, die Graustufen zwischen diesen beiden Extremen zu sehen, erkennt er sie weder bei sich noch bei anderen – und auch nicht in Bezug auf irgendeinen anderen Kontext. Selbst die kleinste Abweichung von der absoluten Vorstellung der einen Ideologie, die ihm die Realität zwangsläufig präsentiert, lässt das Pendel sofort in die andere Richtung ausschlagen – und augenblicklich tritt das genaue Gegenteil des vorherigen Zustands ein.
Hier wird klar: Eine lösungsorientierte, konstruktive Diskussion ist schlichtweg unmöglich. Die Folgen dieses rigiden Schwarz-Weiß-Denkens sind für alle Menschen im Umfeld des Narzissten fatal. Wenn er sie in seine Bahnen gezogen hat, adaptieren sie diese nuancenlose Denkweise und werden zu „flying monkeys“ oder „enablers“. Oder sie denken anders – und rutschen damit in die entgegengesetzte Zone. Dann werden sie verflucht, verstoßen und verpönt.