Stockholm Syndrom
Beim Stockholm Syndrom handelt es sich um eine besondere Reaktion des Opfers auf Missbrauch. Benannt nach einem beobachteten Phänomen, während eines Bankraubs in Stockholm. Dabei hatten die Geiseln des Banküberfalls nach und nach Sympathie, Mitgefühl und Verständnis für die Bankräuber entwickelt, die teils recht sonderbare Ausmaße annahmen. Die Opfer hatten im Prozess zum Teil fanatische und beschützende Haltungen gegenüber den Verbrechern angenommen, was für Außenstehende recht bizarr erscheinen mag.
Das ist eine der Methoden unserer Psyche, mit derart belastenden Situationen umgehen zu können. Wenn uns etwas Schlimmes widerfährt, ist das Einzige, was unser Geist und Körper für uns will: überleben. So entwickelt er verschiedenste Strategien, um dieses zu sichern.
Die erlebten Erfahrungen sind dabei derart gravierend, dass es ab einem bestimmten Punkt zu viel wird und eine Lösung her muss. Die Lösung in diesem Fall ist: den Missbrauch zu befürworten, den Täter rechtzufertigen und das, was passiert, zu billigen, dem zuzustimmen und gutzuheißen.
Wir erinnern uns an die grausame Geschichte der Natascha Kampusch, hierbei wurde auch spekuliert, inwieweit das Syndrom eine Rolle spielte. Wenn man keinen anderen Ausweg hat, findet unsere Psyche immer eine Methode zur Bewältigung.
Wenn wir dieses Konzept von Stockholm weiter ausdehnen und uns die Frage stellen, in welchem Setting dieses Syndrom noch auftreten könnte, kann man sich auf eine furchteinflößende Antwort bereitmachen. Bei sich zuhause. In der narzisstischen Beziehung mit dem Partner oder einem Familienmitglied. Es erscheint so grotesk, dass ein Opfer einen Missbrauch befürwortet und den Täter im Nachhinein auch noch rechtfertigt. Wenn es in den Medien für die breite Öffentlichkeit dargestellt wird, was ist mit den Gräueltaten, die hinter verschlossenen Türen stattfinden?
Da passiert nämlich genau dasselbe, zusätzlich mit dem Element der bereits vorhandenen emotionalen Involvierung. Wenn der eigene Partner oder ein Familienmitglied psychischen Missbrauch ausübt, dann kann das Opfer es nach einer Zeit, oder a priori, genauso rechtfertigen oder billigen. Besonders, wenn es mit etwaigen Erziehungsmaßnahmen in Verbindung gebracht wird, heißt es: Ja, der Elternteil darf es so machen und ich habe es genau so verdient.
Nein, niemand hat psychischen Missbrauch verdient und Opfer von psychischer Gewalt im häuslichen Umfeld sind womöglich die größten Repräsentanten des Stockholm Syndroms. Nur sehen sie sich nicht in den Nachrichten und nehmen den jahrelang erlebten Missbrauch nicht mehr als schockierend, sondern als normal wahr und dulden diesen daher weiter.